Rette Deine Stadt

Liebe Nicht-Gesellschaftsfähige und liebe Gesellschaftsfähige,

aber was ist von dieser Stadt mein’s? Glamour und Tand und die meisten materiellen Güter gehören den Anderen. Als Verharzte haben wir heute schon kaum noch Freiräume und Gemeingüter und nach dem Sparpaket, das diese Woche verabschiedet wurde, werden unsere Freiräume noch mehr eingeschränkt werden, vor allem durch das gestern erlassene Zwangsarbeitsedikt. Und wir werden durch das „angebliche Sparpaket“ uns flott vermehren, weil z. B. das Wohngeld stark beschnitten wurde und der Heizungszuschuss der WohngeldempfängerInnen wegfällt. Hier sind vor allem Prekarisierte und KleinstrentnerInnen betroffen. Wenn bei den Kleinstrentner/Innen noch Vermögen vorhanden ist, welches mehr wert ist, als ein Kiefernsarg, werden die erst einmal für kurze Zeit Privatiers, da sie es erst aufbrauchen müssen, bevor sie ergänzende „Grundsicherung im Alter“ bekommen, wenn es bei den Prekarisierten nicht reicht, werden die ergänzende Grundsicherung nach SGB II beantragen, weil sie dann übers JC krankenversichert sind. Dann werden wir demnächst durch gestandene Ältere verstärkt werden, die derzeit noch in der Kurzarbeit sind oder aus der schon entlassen sind und sich jetzt noch im Alg I Bezug befinden. Ihnen wird als erstes die harte  Landung von der Armutsrutsche ins Verharzt-Nirwana zugemutet, da der Armutsgewöhnungszuschlag wegfällt.

Da so gut wie keine Normalarbeitsverhältnisse angeboten werden, sondern Leiharbeit, Zeitarbeit und befristete Verträge hoch im Kurs stehen, bin ich sicher, dass die Vermehrung der Verharzten weitergehen wird. Langfristig wird sich auch die Anzahl der Altersarmen rasant vermehren, da ja keine Rentenbeiträge mehr für Alg II-Bezieher bezahlt werden. Wenn dann in spätestens 34.000 ZwangsarbeiterInnen in unsere Reihen zurückkehren werden, werden wir uns vor Armen in diesem Land nicht mehr retten können. Günstiger Wohnraum ist heute schon Mangelware, aber wir werden ja bald viele leer stehende Kasernen haben, die dann zu Einfachstbehausungen umgebaut werden, für die neuen Verharzten, die dann ihre Wohnungen zu Gunsten der  LeistungsträgerInnen räumen müssen. Aber wovon sollen die Verharzten leben – wenn die Grundsicherung nicht erhöht wird?

<Z.B. von Geerntetem aus den ehemaligen öffentlichen Grünflächen, die zu Bürgergärten umgestaltet werden.>

Vor 1200 Jahren wusste man in unseren Breiten schon, wie und dass man Natur hegen, pflegen, wachsen und gedeihen, fordern und fördern lassen musste, um alle satt zu kriegen, sie gesund zu erhalten oder sie wieder gesund zu machen.

Elitäre gebildete Männer waren  in den 7 freien Künsten (artes liberales) unterwiesen worden. Das waren: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie + Musik.

< Ich denke, dass wir gerade jetzt die Bildung und die Herzensbildung unserer PolitikerInnen unter solchen Aspekten hinterfragen sollten.>

 Man wusste auch schon, dass „Essen die stärkste Droge der Natur ist.“ Also wurde verordnet: Alles, was der Gesundheit des Menschen dient, soll  kultiviert (angebaut) werden.

Das würde für heute bedeuten: Wir nehmen die öffentlichen Flächen in unseren Besitz, wir vergesellschaften sie und sähen und pflanzen das, was uns einerseits versorgt und warten gespannt darauf, wozu die Natur noch Lust hat, es uns anzubieten. Dies nutzt uns und der Umwelt, denn wenn Wiesen und Felder – öden Rasen ersetzen, entwickelt sich automatisch Artenvielfalt. Die Nutzbarkeit dieser Flächen wäre auch für jeden im Vorübergehen erfahrbar, weil sie flüchtige, sinnliche Erlebnisse bereit hält, für Groß und Klein.

Kultur kommt aus dem Lateinischen von colere = pflegen, hegen, anbauen. Ursprünglich bedeutete es, dass der Boden den menschlichen Bedürfnissen dienstbar gemacht wird. Cicero verwendet den Begriff erstmals als Bildungspflege.

Da war schon einiges verändert worden oder auf der Strecke geblieben, denn im griechischen, wo Kultur „politismos“ heißt, bedeutet es außerdem: bebauen, kultivieren und züchten. Politis ist im Griechischen der Bürger.

Gebt uns Raum und Zeit und ein Einkommen zum Auskommen und hört auf uns zu schurigeln.

Holen wir uns die öffentlichen Räume und gestalten wir sie selbst oder lassen wir sie durch die Natur gestalten. Lasst uns unsere Umwelt selbst bebauen und  gestalten und lasst uns deutlich machen, wenn Politik es ernst meint mit der Partizipation des Einzelnen am Allgemeineigentum, dass wir einen anderen Plan haben, als verbeamtete Städtebauer. Unsere Vorstellungen von Lebensqualität in der Stadt, wie auch auf dem Land wird sich anders entwickeln, als die uns bislang vorgekauten, angeblichen Notwendigkeiten von Flurbereinigern und Straßenbegradigern, denen Baumscheibenbepflanzung wichtiger sind, als Artenvielfaltserhaltung. Dieses Unterfangen kann uns vielleicht auch vor Gentrifizierung schützen.

Eva Willig am 10.7.2010

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.