„Sentimental Journey“

Meine Mutter sagte mir, die „Caprifischer“ seien indirekt mein Zeugungslied. Mein Vater und sie hätten den ganzen Abend danach getanzt. Möglich wär’s, der Schlager war der Hit 1947 und in einer Nacht im Mai, da kann halt viel passieren…

Obwohl wir, die „aggressive-Bräute-Musik (ABM)“ bevorzugt die Schlager der 50er-Jahre umgeschrieben haben, verballhornte ich 1986 die „Caprifischer“ zu Folgendem:

1.)   Wenn die Arbeitslosenstatistik zum Himmel stinkt

und das reale Nettolohneinkommen sinkt,

ziehen schwarze Wanderprediger über’s Land

und sie geben den Springer-Lesern dann bekannt,

dass die Wirtschaftskonsolidierung den Vorrang hat

und die Armen werden dadurch bärenstark.

weil der Warenkorb sie Alle gut ernährt –

doch da ist was verkehrt

Refrain: Sparen, sparen heißt die Strategie

in der christlichen Filzokratie

Leben sollst Du wie Vieh

unter Ihrer Regie.

 

2.   Wenn die großen Parteien in Essen und in Bonn*

Frauen fördern woll’n was haben wir davon?

denn sie bieten uns Kapovaz** und Babyjahr

als Emanzipationsgrundlage wohlfeil dar.

Doch das Blüm’sche Beschäftigungsförderungsgesetz

ist für arbeitslose Frauen Murks und ätzt,

weil’s die Vorherrschaft von Männern manifestiert,

passt mal auf, was bald passiert:

Refrain: Wir pfeifen, pfeifen auf die 3 Ks

und erinnern uns an Lysistrata

meine Herren dann wird Euch klar

wir kochen Euch gar!

Zugabe:

Wenn die Wasserverschmutzung zum Himmel stinkt

und der Boden schwermetallisch glitzert und blinkt

und Dir kaum noch reine Luft zum Atmen bleibt,

weißt auch Du jetzt ist es allerhöchste Zeit,

dass der Industrie jetzt Einhalt geboten wird,

deren Produktion zu diesem Zustand führt

und von Haus zu Haus ein neues Lied erklingt,

hör’ mal zu, wie man’s singt:

Refrain:  Träumst auch Du von einer Ökotopie,

musst Du leben und kämpfen für sie.

Bist Du schlaff in Deiner Elegie,

schaffst Du sie nie!

*CDU + SPD hatten damals Parteitage auf denen sie Beschlüsse zur Frauenpolitik fassten

** Kapovaz = „Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit“

Wir, das waren 3 Frauen: außer mir eine weitere „Brummelse“ (die sitzt heute ver.di BB vor) und ein Sopran mit musikalischer Ausbildung. Zu den aggressiven Bräuten gehörten außerdem noch 1 – 2 Gitarristen. Der eine stand auf der Bühne, wie eine „deutsche Eiche“, aber wir Frauen waren uns nie sicher, ob er nicht auch auf der Bühne, eine von uns in den Hintern kniff. Wir Frauen nahmen dieses sexistische Gockelgehabe in Kauf, weil er spiel- aber wir nicht singsicher waren. Unser zweiter Gitarrist ging das ganze akademisch an, er wollte am liebsten die Noten der Schlager 2 Wochen vor der Probe. Wer hatte aber damals schon Notenblätter von „Pigalle“ oder Peter Krausen’s „Sweety“. Er wollte es erst einmal zu Hause synchron nachspielen üben. Geübt wurde in meinem Schlafzimmer und die Nachbarin, samt Kindern, waren die Kritikerinnen vor Ort.

Oft warfen mir die beiden anderen Frauen vor, dass sich 9-silbige Wörter nicht singen ließen. Klar wusste ich, dass der deutsche Schlager nur aus ein- und zweisilbigen Wörtern besteht. Känguru und Isabella sind schon große Ausnahmen. Nun denn, schließlich habe ich texten nicht gelernt. Ich habe immer aus jeder alten Textzeile, ein Puzzle mit Strichen für jede gesungene Silbe gemacht und dann musste die Anzahl der Silben, der neuen Textzeile mit der Anzahl  der Silben der alten Zeile übereinstimmen. Wie viele Silben zu einem Wort gehörten, war mir erst einmal egal.

Schließlich habe nicht ich das Blüm’sche Beschäftigungsförderungs-gesetz gemacht, sondern der damalige Arbeitsminister. Der wusste auch über die Sprachverwirrung, die er mit dem falschen Titel zu veranstalten gedachte, denn dieses Gesetz war nur für den Arbeitgeber ein Förderungsgesetz, für ArbeitnehmerInnen aber war es eher ein Beschäftigungsverhinderungsgesetz. Das hätte noch eine Silbe mehr gehabt, aber ich bin immer noch der Überzeugung, dass auch 10-silbige Wörter singbar sind und sich besser anhören als <die bleiche Sichel des Mondes klingt> + 1.

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu „Sentimental Journey“

  1. Michaela sagt:

    Hey, Eva!
    Habe Deinen umgeschriebenen Text am PC sitzend laut nachgesungen. Ich finde ihn passend und klasse!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.