FDP und tschüss…

Aus der Zeit zwischen 1991 –1993

Was bedeuteten Möllemann’s Vorschläge zum Aufschwung Ost II. Teil hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitsmarktes-Ost?

Mit der Zeit bekam ich ein schlechtes Gewissen, wegen meiner Schwarzseherei. Von Anfang an – und der Anfang war der Tag der Währungseinheit- beschlich mich das Gefühl, dass die Machthaber in Neufünfland einen riesengroßen 2. Arbeitsmarkt einführen wollten. Dies hätte dann langfristig Auswirkungen auf den 1. Arbeitsmarkt-West und auf die Bedingungen mit denen die BRD ins geeinte Europa zieht.

Das oben beschriebene Gefühl kam, als ich im Februar 91 die ABM-Anordnung Ost zum ersten Mal zu Gesicht bekam und das Datum des Beschlusses las. Noch vor der Einheit waren wesentliche Erleichterungen für ABM-Ost ausgemachte Sache. Da brauchte ein ABM-ler noch nicht einmal vorher erwerbslos sein, um an einer Maßnahme teilnehmen zu können. Mit einem Handstreich wurde jegliche Maßnahme, die dem Aufbau-Ost diente, als zusätzlich erklärt und das öffentliche Interesse galt schon, wenn jemand quasi arbeitete, anstatt erwerbslos zu sein.

Ich war seit jeher eine Kritikerin von ABM, aber was damals geschah, entsprach einer Rechtsbeugung und hatte mit § 91 AFG (Arbeitsförderungsgesetz) nichts mehr zu tun.

In Westberlin war geschafft worden, dass trotz Pieroth’scher Versuche – ABM nicht in der Wirtschaft eingesetzt wurde. In Neufünfland wurde in fast allen abzu-wickelnden Betrieben und auch in aufzubauenden Neuansiedelungen dank abenteuerlicher Konstrukte, ABM en masse beantragt, bewilligt und neben der Kernmannschaft eingesetzt.

In beide Konstrukte waren die Gewerkschaften involviert. In Westberlin halfen sie damals noch die Vorhaben des Arbeitssenators zu vereiteln! In Neufünfland hatten sie dann selbst Beschäftigungsgesellschaften gegründet oder sich an ihnen beteiligt und es wurde für Gewerkschaften selbstverständlich, dass sie selbst im zweiten Arbeitsmarkt anstellten. Erwerbslose Ossis wurden z. B. damals von Beschäftigten  2. Klasse beraten – wegen der Betroffenheit oder weil es so eine schön günstige Variante war und die Erwerbslosen ja so niedrige Beiträge zahlten.

Mit dem eigenen Zugriff auf ABM haben die Gewerkschaften ihre Unschuld (falls sie je eine hatten) verspielt und von den Mächtigen um Argumente prellen lassen. Ihre Haltung gegenüber den ausgegrenzten Arbeitsmärkten war immer zögerlich bis zwiespältig. Für die betroffene Klientel wollten sie nicht Lobby sein. Als Lobby fingieren sie nur für ordentliche Festbeschäftigte. Die Anderen werden zu Bedürftigen degradiert und in der Mitgliedschaft diskriminiert.

In Berlin sind und waren die Gewerkschaften nun mal nicht für Sozialpolitik, sondern wenn überhaupt – für Tarifpolitik zuständig. Somit haben sie sich in den 80er Jahren nur mit kleinlautem Stimmchen gemeldet, als Sozialsenator Fink seinen 3. Arbeitsmarkt mit großem Brimbumborium installierte. Über die Größenordnung las man/frau nur selten. Manches Jahr wurden über 100.000 Einsätze mit 3.- DM-Arbeit geleistet, da es sich um Einsätze mit 40 Wochenstunden handelte, wurden von SozialhilfeempfängerInnen soviel Stunden gearbeitet, wie weit über 2.400 Beschäftigte in einem Jahr  leisteten. Hinzu kamen weitere 1000 entrechtete ArbeitnehmerInnen, die einen Jahresarbeitsvertrag bekamen, zu den niedrigsten Tarifen, ich nannte sie damals den Kartoffelschäler- oder Hoffegertarif.

Nur durch den Einsatz und die Erweiterung des 3. Arbeitsmarktes konnte der öffentliche Dienst, seine ihm damals auferlegten Personaleinsparungen erbringen und kompensieren, ohne dass Aufgaben vernachlässigt wurden. Es gab kaum ein Museum, das ohne die billigen, kurzfristig beschäftigten Arbeitskräfte ausgekommen wäre. Blieben die ABM-Zahlen in Westberlin in der Zeit Mitte der 80er-Jahre bis zur Wiedervereinigung ziemlich konstant, explodierte der 3. Arbeitsmarkt, ohne dass ein Hahn danach krähte.

Diese Erfahrungen beflügelten dann die Macher aus Bonn, an dieser Schraube weiterzudrehen, und die nächste Runde einzuläuten, auf dem Vormarsch zu segmentierten Arbeitsmärkten, die sich bei Bezahlung wie auch bei den Arbeitnehmerrechtenhierarchisch aufgebaut war. Die oberste Sprosse der Leiter zum 1. Arbeitsmarkt war und ist gebrochen, so dass nur in den unteren Bereichen geturnt werden kann und darf.

Viele  ehemalige VEBs haben unter der Treuhand Personal abschmelzen müssen. Damit unter den ArbeitnehmerInnen nicht zu viel Unruhe entstand, wurden oft auf dem gleichen Terrain des Produktionsbetriebes, eine sog. Arbeitsför- derungsgesellschaft gegründet. Die Beschäftigten hatten das Gefühl weiter zur Arbeitsstelle zu gehen. Dass ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde, oft unter Verlust der Abfindung aus dem Sozialplan, wurde angesichts der Massenerwerbslosigkeit hingenommen. Erst nach Auslaufen der Programme – ABM oder Kurzarbeit- wurde begriffen, dass die Erwerbslosigkeit nur aufgeschoben worden war. In der Zwischenzeit hatten die ehemaligen MitarbeiterInnen des Produktionsbetriebes viel Aufräumarbeiten geleistet, die das Gelände verschönten oder die Fläche zur Veräußerung attraktiver machten. Dies alles wurde mit Beiträgen aus der Arbeitslosenversicherung bewältigt, in die die AN selbst eingezahlt hatten, auch während der Maßnahme. Da der neue Betrieb, die Arbeitsförderungsgesellschaft fast ausschließlich aus ABMlern bestand, wurde es schwierig einen Betriebsrat zu gründen. Zu beachten war auch, dass nach dem neuen Arbeitsvertrag der Kündigungsschutzzeitraum auch wieder neu zu laufen begann.

Wenn ein/e Beschäftigte/r nun erwerbslos wurde und Arbeitslosengeld bezog und vielleicht auch noch eine Familie hatte, reichte das Geld nicht hinten und vorne. Also musste zusätzlich Sozialhilfe beantragt werden, um wenigstens minimal über die Runden zu kommen. Hier setzte nun der Möllemann-Vorschlag vom Jan 92 an. Die Ausführungsvorschriften für das BSHG waren Ländersache. In Neufünfland entstanden so massig Beschäftigungsgesellschaften. Vorbild war die berüchtigte HAB HH.

Die neuen Länder schlugen so 3 Fliegen mit einer Klappe:

  1. das Sozialhilfebudget wurde so nur bedingt belastet
  2. staatliche Aufgaben, außerhalb der Hoheitsaufgaben, konnten mit geringen Kosten erledigt werden
  3. Der/die Erwerbslose lernt arbeiten, ohne Rechte und erwirbt einen neuen Alg-Anspruch

Lange haben sich diese Humankapitalkalkulationen gehalten, zu lange, denn sie haben den Boden für Hartz IV bereitet, dieses menschenverachtende System, was jetzt auf ganz Europa ausgeweitet werden soll. Wird das noch jemand aufhalten??? Auch wenn die FDP jetzt weg ist, die meisten anderen Parteien lassen nicht erkennen, dass sie wirkliche Gerechtigkeit für Alle wollen .

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.